"Die Befreiung Ostpreußens" wurde sogleich zum Mythos deutscher Siegeszuversicht hochstilisiert. Die Grundlage für den Ruhm von Hindenburg und Ludendorff war entstanden. Die jubelnde deutsche Öffentlichkeit übersah, daß die beiden Schlachten noch längst nicht den Sieg über die riesige russische Streitmacht bedeutete. Die Begeisterung von 1914 über die Rettung der ostpreußischen Heimat war so groß, wie die Erschütterung über die Zerstörungen zwischen Tilsit, Insterburg und Lyck. Für den heutigen Leser wirken entsprechende Zeitzeugnisse makaber, hat er doch das Schicksal Ostpreußens und seiner Bewohner kaum mehr als dreißig Jahre später vor Augen.
Am 1.11.1914 zogen Kaiser und Generalstab im Großen Hauptquartier im fernen Mézières-Charleville an der Maas eine politisch-militärische Konsequenz aus der Ostlage und ernannten den Generalobersten Hindenburg zum "Oberbefehlshaber Ost" und Generalmajor Ludendorff zu seinem Generalstabschef. Das Hauptquartier dieser neuen Führung, in einer abkürzungsseligen Zeit bald als "Oberost" bekannt, wurde mit Hindenburg als Galionsfigur und Ludendorff als Drahtzieher eine im Lauf des Krieges immer mehr ausufernde Behörde und zum Zentrum einer Militärdiktatur in den größer werdenden besetzten Gebieten Rußlands, die sich von Berlin nicht mehr viel sagen ließ und umgekehrt zu einem politischen Faktor im Reich wurde. General von Mackensen wurde zum Chef der zu "Oberost" gehörenden 9. Armee ernannt.
Die OHL (Oberste Heeresleitung) war mit dem bisherigen (August 1915) Erfolg zufrieden und wollte die erreichte Frontlinie über den Winter halten. ... Dennoch konnte Hindenburg am 9.9.1915 den von ihm seit langem favorisierten Angriff auf Wilna einleiten und nach schweren Kämpfen am 18.9. mit der Einnahme dieser wichtigen Festung krönen. Entgegen den Absichten der OHL war die Ostfront im nördlichen Teil nun weiter vorgeschoben und verlief ... zur Ostsee. Nun aber befahl die OHL endgültig, an dieser Linie eine Dauerstellung einzunehmen.
aus Knipping. FACHBÜCHEREI
Seiten 84, 89 und 122
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